Offene Türen: Kürzlich ein sehr gefragtes Angebot der Confiserie Honold. Über 180 Personen blickten ihnen am Hauptsitz in Küsnacht über die Schulter – den Confiseurinnen, Konditoren, Bäckerinnen, Traiteuren. Letztere zeigten sich erstmals in ihrem neuen Reich der salzigen Speisen.
«Ui, bei mir ist zu viel rausgekommen », grinst Alexander. «Irgendwo hat es hinten am Sack ein Loch gegeben », vermutet der Achtjährige mit Blick auf einen bunten Zuckergussberg auf dem menschenförmigen Guetzli vor ihm. Sein «Sack» ist eine trichterförmige Tüte, mit der gelernte Confiseure ihre Werke dekorieren. Etwa Samichläusli mit roter Kapuze, frohen Augen und weissem Rauschebart, wie sich im zweiten Stock beobachten lässt.
Doch so weit kommen nicht alle Kinder, die mit ihren Eltern der Einladung an die Obere Heslibachstrasse gefolgt sind. Von aussen fällt sofort auf, wie sehr sie sich im Parterre an grossen Tischen ihren Werken hingeben. «Es ist lustig, Marzipan zu kneten », beschreibt Simona (11) das andere Angebot. So lustig, dass Lenna Wartmann, im dritten Lehrjahr, der kleinen Ayse etwas Marzipan aus dem Gesicht wischen muss. Ayse formt ein Hündchen.
Start im Drittelstundentakt
Die meisten schliessen sich in der noch jungen Küsnachter Manufaktur einer der alle 20 Minuten startenden Führungen an. Einige davon finden auf Englisch statt – dank der sprachgewandten Jennifer Estes. Sie betreut sonst Firmenkunden.
Die Geschäftsführerin Svjetlana Sarcevic weist ihre Gruppen charmant nochmals kurz durch den kühlen Regen. An der Sternenfeldstrasse 19 widmet sich die Traiteur-Abteilung seit dem 16. Juli Salzigem: Suppen, Salate, Sandwiches, Canapés, Quiches usw. An jenem Samstagmittag sind nicht alle sieben Angestellten hier, zumal noch nicht Zeit für die nächsten belegten Brote ist. Die ersten verlassen das Haus täglich um 7 Uhr.
Aber Abteilungsleiter Manuel Peterhans und Olivia Abrach lassen alle Gäste von ihrer exzellenten Marronisuppe kosten. Zuerst jedoch sind Kopfhaube, Schutzmantel und Schuhkappen anzuziehen, was teils mit etwas Hilfe gelingt. Erhöhte Hygieneanforderungen halt, weil hier auch Heikles wie roher Fisch auf den rollbaren Edelstahltisch kommt.
Bald sieben Filialen
Als Präsentatorin wirkt die Inhaberin selbst: Cristina de Perregaux. «Dieses Jahr wollte ich alle Leute sehen. Das konnte ich letztes Jahr als Leiterin der englischen Führung nicht.» Ihr Urgrossvater Fritz Honold-Herzog gründete die Firma im Jahr 1905 am Rennweg in Zürich. Heute ist dies eine von seit 2017 sechs Filialen; eine im Zentrum Witikons folgt 2019. «Warum bin ich nicht mehr dort?!», bedauert eine Frau. Salziges erhalten alle Läden vom erweiterten Traiteurreich: «Erstmals haben wir eine gute Grösse zum Arbeiten und eine echte Küche statt eines Backstubenteils.»
Herzstück ist die warme Küche mit Induktions- statt Gasplatten, zwei Kipppfannen und einer kompakten Innovation: «Der grosse Ofen wurde ersetzt durch diese kleine Maschine, die alles kann.» Omeletten oder Fleisch braten, backen, dünsten, dämpfen usw. Einige raunen staunend. Die kalte Küche davor erhält viel Tageslicht, das im Keller der Manufaktur fehlte. Vier Maschinen sind laut Inhaberin geblieben, die Kühlung aber komme mit viel weniger Strom aus.
Chancen – nur nicht für China
Am Fenster stanzt Jesotharan Thavarasa noch unförmige Teigböden in Aluförmchen zu Grundlagen für Miniquiches, die adrett gewellt umrandet sind. Dabei blickt er so freudig wie eine Besucherin, die erfährt: Honold gibt auch Angelernten und Arbeitslosen Chancen, zumindest in Spitzenzeiten zu den total 100 bis 120 Mitarbeitenden zu zählen. Manche davon – auch von den 47 in Küsnacht – indes mit Teilzeitpensen, führt die Inhaberin aus. Dafür sei hier alles echt und von Hand gemacht. «Nein, hier ist nichts aus China», versichert sie und erzählt schmunzelnd: «'Sie haben aber eine schöne Schaubäckerei›», meinte mal jemand. «Das ist aber unsere echte Bäckerei» erwiderte sie. Etwas störe sie aber noch, räumt des Gründers Urenkelin ein: Die Wegwerfbecher für die Suppenprobe möchte sie durch wieder verwendbare ersetzen.
Den richtigen Dreh geben
Ohne Schuhüberzüge, aber mit Kopfhauben und Schutzmänteln besucht jede Gruppe die weiteren Abteilungen im Hauptsitz. Sie haben sich seit dem letzten Besuchstag 2017 kaum verändert, wecken aber doch viel Erstaunen.
Stolz zeigt Produktionsleiter Heinz Mathis einen Langtisch voller verschiedener Brote und Kleingebäcke. Nebenan geben Ramona Denzler und Fabienne Schirmer einem Heer zarter, streng abgemessener Teigstreifen den richtigen Dreh für Flûtes à la Fleur du Sel.
Fast ähnlich das Bild zwei Stöcke höher: Auf riesigen, mehligen Teigböden warten Hunderte Minirinnen darauf, dass sie Confiseurin Melanie Eschbach dank Dosiertrichter mit Kirsch beträufelt: Genau, für Kirschstängeli mit einem Lampnästler Kirsch (den Baum kennzeichnen «lampende», hängende Äste). Stefan Müller stellt diesen und andere Brände des Aargauer Herstellers Humbel selbst vor.
Spaghetti, Hochzeitsblumen
Nicht zufällig: Chefchocolatier Ivo Jud hat diesen Edelkirsch ausgewählt. Er muss es wissen: «Er ist seit 22 Jahren unser kreativer Kopf», lobt ihn Sarcevic. Er weiss auch über den Weg der Kakaobohne bis zur verlockend duftenden Conchiermühle für maximale Schoggifeinheit einiges zu erzählen.
Ivan Grammer leitet als Honold- Urgestein die Konditorei. Er zeigt, wie «Herbstspaghetti», so ein Kind, zu Vermicellesköpfli werden, führt seine Rahmzaubermaschine vor oder erklärt, dass Wunder auch hier ihre Zeit brauchen: «Eine Hochzeitstorte von heute auf morgen, das geht nicht.» Weshalb, lassen gekonnt geformte Marzipanblumen und eine gelungene Comic-Tigerfigur leicht erahnen.
Nun kehren die Kinder zu ihren Eltern zurück. Mit fertigen Marzipan- Kunstwerken. Sowie dick mit Zuckerguss bedeckten Keksfiguren: «Damit es viel Zucker hat, schön fein und süss wird», bekennt Alexander. Melina (11) genügt dies: «Ich ziehe mein Männchen einfach quasi an», mit T-Shirt, Hose, Schuhen. «Mir gefällt es hier: Wir können gute Sachen machen und sehen, wie man sie hier herstellt.»