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Noch eine letzte Runde fürs "Dörfli" in Küsnacht

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Vom Handwerker-Znüni über den Mittagstisch bis hin zum Firmenfest: Küsnachterin Laura Hayek setzt bei ihrem Debüt als Gastwirtin im «Dörfli» auf bewährte Rezepte – und Nachhaltigkeit.              

Die Autos auf den Parkplätzen gehören Kunden der Bäckerei. Im «Dörfli» brennt kein Licht. Doch so verlassen, wie das Restaurant an diesem Morgen scheint, ist es nicht: Die massiven Holztische im Säli stehen in Bankettformation. Auf dem Stammtisch liegen Farbstifte und Papiere zum Ausmalen bereit. «Gestern fand das Testessen statt mit dem neuen Koch», erzählt Laura Hayek. Es gab Kalbsgeschnetzeltes und Risotto mit Eierschwämmli, confierte Aprikosen und Schoggikuchen mit flüssigem Kern. Ihre Augen leuchten.

Gut zwei Wochen vor der Wiedereröffnung ist die neue Geschäftsführerin noch am Probieren und Organisieren: «Das ist eine One-Woman- Show», sagt die 38-jährige Spezialistin für Marketing und Kommunikation mit einem Lachen. Auch wenn sie den Betrieb nicht umkrempeln möchte, hat sich die Mutter von zwei Kindern doch einem Prinzip verschrieben, das sie hier vorleben will: Nachhaltigkeit. Was sie sich erhofft, verrät sie im Interview. 

Laura Hayek, wie sind Sie aufs «Dörfli» gekommen?
Ich kenne das Lokal, seit ich mich erinnern kann. Und auch wenn ich hier nicht ein- und ausgegangen bin, so habe ich die wechselhafte Geschichte in den letzten Jahren doch mitbekommen. Als ich dann im «Küsnachter » las, dass die Besitzer jemanden für eine Zwischennutzung suchen, hab ich mich gemeldet. 

Wie haben sie reagiert? 
Sie haben sich gefreut, dass jemand aus dem Dorf sich dafür interessiert. Aber Sie haben das noch nie gemacht. Das stimmt, aber ich hatte viele Berührungspunkte! Als Schülerin habe ich in der «Sonne» am Glacestand gejobbt oder auch in der «Waage» ausgeholfen. Mit 20 war ich Assistant Managerin in einem Coffeeshop. Vor ein paar Jahren hätte ich schon einmal ein Lokal übernehmen können, aber da hat es noch nicht gepasst. 

Was ist heute anders? 
Es fühlt sich richtig an. Und ich traue es mir zu, nicht nur von den Fähigkeiten her, auch emotional. Das muss alles zusammenkommen. Sonst würde ich dieses Abenteuer nicht wagen. 

Sie waren lange in der kurz- und schnelllebigen Medienbranche tätig. Heute beschäftigt Sie das Thema Nachhaltigkeit besonders. Was hat sich geändert? 
Interessiert hat es mich schon immer. Vielleicht liegt es auch in der Familie. Meine Mutter hat Pionierarbeit geleistet, als sie uns Vollkornspaghetti servierte. Die wollten wir Kinder natürlich nicht essen, weil sie nicht weiss waren ... (Lacht.) Sie hat viele Lebensmittel bei lokalen Anbietern bezogen, auch das Fleisch. Das habe ich wieder schätzen gelernt, als ich selber Kinder bekam. Das Thema hat sozusagen in mir geschlummert. Vor zwei Jahren habe ich es dann mit einem Online-Shop für nachhaltige Mode erstmals umgesetzt. 

Und jetzt auch im Restaurant? 
Unbedingt. Etwa indem ich mit lokalen Anbietern kooperiere und mich gegen Food-Waste engagiere. Deshalb wird es auch keine À-la-carte- Gerichte geben. Die Gäste können auswählen zwischen Tagesmenüs, einem Wochenhit und dem Dörfli- Salatteller. Ich möchte kein Essen wegschmeissen. Nachhaltigkeit hat aber noch mehr Facetten, es betrifft auch die Art, wie man mit sich und anderen umgeht. Das hat viel mit Achtsamkeit zu tun. Diesen Aspekt will ich ebenso einfliessen lassen. 

Auf welche anderen Veränderungen muss sich die Stammkundschaft einstellen? 
Nur auf mich. (Lacht.) Nein, ich hoffe, nur auf ganz wenige. Meine Vorgängerin hat das alles sehr gut gemacht. Ich will auch nicht an den Preisen schrauben. Meine Vision fürs «Dörfli » ist ein Wiederaufleben der Dorfbeiz als Treffpunkt, deshalb nenne ich es auch «encore», also Zugabe, mit allem Drum und Dran. 

Fehlt so ein Ort in Küsnacht? 
Ich denke, ja. 

Warum? 
Ich weiss es nicht. Alle, denen ich vom Projekt erzählt habe, zeigten sich begeistert und meinten: Genau das braucht es hier. Küsnacht ist so eine spannende Gemeinde. Es hat einen schönen Dorfkern, so viele tolle Läden und ein traumhaftes Naherholungsgebiet. Diese Lebensqualität finde ich einmalig, aber in der Gastronomie gibt es noch Ausbaupotenzial. 

Wie finden es Ihre Kinder eigentlich, dass die Mama ein Restaurant führt? Die finden das beide cool. Mein Sohn wird bald sieben und hat schon gesagt, dass er unbedingt mithelfen will. In der Schule hatten wir früher einen Klassenkameraden, dessen Eltern Pächter des «Ochsen» waren. Über Mittag mal schnell einen Teller Pommes frites im Restaurant. Das klang für uns wie ein Traum. 

Dann kommt Ihr Sohn zum Mittagessen? 
Ganz bestimmt, aber es gibt nicht immer Pommes. (Lacht.) 

Kann man von so einem Projekt eigentlich leben? 
Es geht schon, aber natürlich habe ich meinen Lebensstandard in den letzten Jahren etwas angepasst. Geld ist für mich aber kein Anreiz mehr. Es geht mir darum, in meiner persönlichen Entwicklung weiterzukommen und Dinge auszuprobieren, von denen ich träume. Das sind auch die Werte, die ich meinen Kindern mitgeben will. So viele Leute haben tolle Ideen und wagen es nicht, sie in Angriff zu nehmen, weil sie zuerst noch dieses oder jenes ... Ach, ich will an meinem letzten Tag sagen können, dass ich alles ausprobiert habe, was ich mir gewünscht habe. Voilà. 

Was schwebt Ihnen denn als Nächstes vor? 
Bekannte haben schon gescherzt, dass ich als Nächstes ein Hotel aufmache. Warum nicht? Ich glaube fest daran, dass ein Schritt immer zum nächsten führt. Jetzt gilt meine ganze Aufmerksamkeit dem «Dörfli».

Interview: Alexander Vitolic