Abo bestellen

Es gibt einen Gegenvorstoss zur gemeinnützigen AG

Erstellt von Manuela Moser |
Zurück

Zehn Initianten wollen eine echte Alternative am Abstimmungstag, der wohl im Frühling 2023 kommen wird: Dann entscheiden die Küsnachterinnen und Küsnachter über die Rechtsform ihres neuen Gesundheitsnetzes.

Die Gesundheitsversorgung der Gemeinde unter einem Dach – Pflege und Gesundheitszentren sowie nur eine Telefonnummer für alle Alters- und Gesundheitsfragen: Das ist die Idee des Gesundheitsnetzes Küsnacht. Nun geht es noch um das Finden der richtigen Rechtsform.  Und die beschäftigt derzeit die Gemüter der Küsnachterinnen und Küsnachter. Allen voran deren zehn, die vergangene Woche vollzählig und geschlossen beim Gemeindehaus ihre Einzelinitiative eingereicht haben. Sie trägt den kernigen Titel: «Der Altersbereich ist keine Aktiengesellschaft – Altsein geht alle an».

«Wir wollen den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern eine Alternative bieten im März 2023», so lautet der Tenor. Eine Alternative zur gemeinnützigen Aktiengesellschaft (gAG), die laut Gesundheitsvorsteherin Susanna Schubiger (GLP) «das Beste ist, was wir ausarbeiten konnten», und ohne die es laut ihr nicht möglich sein wird, den wachsenden Anforderungen auf dem Markt mit kreativen Lösungen agil und kreativ entgegenzutreten (siehe Interview, «Küsnachter» vom 8. September, auch unter derkuesnachter.ch nachlesbar).

Grundsätzliche Diskussion

«Es gibt immer eine Alternative», sagt Dieter Imboden, emeritierter ETH-Professor und Sprecher der zehn Initianten. Alles andere grenze an Erpressung und sei eine «politisch und demokratisch bedenkliche Aussage». Deshalb kritisiert er auch Gemeinderätin Susanna Schubiger, welche die gemeinnützige AG als «beste und einzige» Lösung präsentiert. «Genau solche Aussagen untergraben die Glaubwürdigkeit des Gemeinderats», findet Imboden. «Klar, können wir nun noch Vorschläge machen und an dem gegebenen Konstrukt einer gAG herumschrauben.» Aber das sei «Kosmetik».

Die Grundsatzfrage, ob die Bevölkerung die Alters- und Gesundheitsversorgung auslagern wolle oder nicht, sei nie gestellt worden. «Das stört uns sehr.»

Ein Gremium wie die Schule

Den Initianten schwebt eine andere Organisationsform vor, welche die Demokratie – in ihren Augen – «nicht aushebelt wie die gAG»: Sie wollen, dass der Bereich Alter und Gesundheit– analog zur Schule – von einer siebenköpfigen vom Volk gewählten Laienbehörde geleitet und verwaltet wird. Als Präsidentin oder Präsident würde ein Mitglied des Gemeinderates walten. «Küsnacht verfügt über ein hohes staatspolitisches und intellektuelles Potenzial», sagt Gerhard Fritschi, Küsnachter alt SP-Gemeinderat und Mitinitiant des aktuellen Vorstosses. Das Finden von Freiwilligen wäre also kein Problem.

Der Vorteil: «Diese Personen wären dann näher dran an den Betroffenen, den älteren Menschen, hier im Dorf.» Und laut den Initianten könnte auch dieses Siebnergremium effizient und agil handeln, «schliesslich sind auch der Bundesrat und der Regierungsrat eine Laienbehörde». Laien machten den Kern einer Demokratie aus, vielmehr seien nur so die demokratischen Prozesse wie Wahlen, Mitgestaltung durch die Gemeindeversammlung, Rechenschaft vor und Austausch mit der Bevölkerung gewährleistet, finden sie.

Noch ein wichtiger Punkt, der die Initianten stört: «Es heisst, der Gemeinderat hätte verschiedene Organisationsformen geprüft und die AG sei die beste», so Imboden, «aber es wurde nicht geprüft, den Altersbereich in der Gemeindeverwaltung zu behalten.» Man vermisse diese Option, vor allem in der Gegenüberstellung zwischen Vor- und Nachteilen. Konkret: In Anbetracht des Demokratieverlustes bei der gAG müsste man konkret sagen, was man in einer nicht ausgelagerten Organisation denn nicht tun könnte. «Nur so könnten wir die Vorteile und die Nachteile gegeneinander abschätzen. Jede Variante hat immer beides», sagt der emeritierte ETH-Professor Imboden.

«Demokratie nicht ausgehebelt»

Für Susanna Schubiger kommt der Vorstoss des zehnköpfigen Komitees nicht überraschend. Dennoch findet sie: «Ich habe die Gespräche mit den Initianten immer gesucht, und die Diskussionsabende sind ja gerade da, um Inputs aus der Bevölkerung aufzunehmen und zu schauen, ob und wie sie umgesetzt werden können.» Konkrete Beispiele dafür seien der angedachte Beirat aus der Bevölkerung, der dem Verwaltungsrat der gemeinnützigen AG dereinst kontrollierend zur Seite gestellt werden und Anliegen einbringen soll, sowie die Abgabe der Liegenschaften der Alterszentren Tägerhalde, Wangensbach und Tägermoos allenfalls nur im Baurecht.

Schubiger verneint zudem, dass mit der gemeinderätlichen Vorlage die Demokratie ausgehebelt wird. «Der Gemeinderat hat kraft seines Amtes die Aufgabe, strategisch zu lenken. Dies haben wir mit der Schaffung eines Gesundheitsnetzes gemacht – einer Idee, die noch keine der Nachbargemeinden umgesetzt hat. Nun folgt der nächste Schritt: die geeignete Rechtsform. Wir schlagen die gAG vor. Und über die darf die Bevölkerung ja nun an der Urne befinden. Auch bei den anderen wichtigen Entscheiden zur AG wird die Bevölkerung auch in Zukunft das Sagen haben, insbesondere zum Zweck und zu den Liegenschaften.» Man habe sich nach Vorbildern in der ganzen Schweiz umgeschaut. Fündig wurde die Küsnachter Gesundheitsvorsteherin in Oftringen im Kanton Aargau und bei Thurvita in Wil im Kanton St. Gallen. «Dort agiert man mit einer gAG seit Jahren sehr erfolgreich.»

«Verschlechterung des Status quo»

Den Vorschlag der Initianten mit dem Siebnergremium analog der Schule hält Schubiger hingegen für eine Verschlechterung sogar des Status quo. «Im Unterschied zur Schule ist der Altersbereich viel stärker dem Markt ausgesetzt. Wollen wir staatliche Angebote in diesem Bereich aufrechterhalten, müssen wir uns bewegen.» Dafür brauche es Flexibilität und Professionalität. Mit sieben Laien sei dies im zunehmend komplexen Gesundheitsmarkt nicht mehr machbar, findet sie.

Nicht lange muss Schubiger überlegen, um die Frage zu beantworten, was denn alles nicht möglich wäre, wenn man das Gesundheitsnetz im Status quo – also als integriertes Ressort im Gemeinderat – belässt. «Wir können nicht einfach neue Angebote aufbauen, wenn der Bedarf besteht, sondern benötigen für diese einen langwierigen Prozess.» Aber genau diese Flexibilität sei nötig: «Wir müssen unsere Angebote zeitnah und bedarfsgerecht organisieren und initiieren können.» Das sei die Idee des Gesundheitsnetzes, es würde ihm sozusagen die Flügel schneiden und es am Fliegen hindern.

Das Zweite, was heute laut der Gesundheitsvorsteherin nicht möglich sei: «Es ist sehr schwierig, aktuell Fachkräfte zu finden. Dafür braucht es innovative Ideen, die innerhalb des kantonalen Personalreglementes sehr schwer umzusetzen sind.» Es gäbe noch viele weitere Beispiele, so Schubiger, was zeige, wie komplex die Vorlage wirklich sei.

Dass keine einzige Ortspartei grundsätzlich gegen die Schaffung einer gemeinnützigen AG sei – die SP allenfalls kritisch –, ist für die Gesundheitsvorsteherin ein gutes Zeichen. «Ich glaube, die Vorlage geniesst eine breite Akzeptanz.» Bei politischen Vorlagen sei es normal, dass die Gegner aktiver seien als die Befürworter.

Letztlich wird sich das an der Urne im Frühling 2023 zeigen. Vorher soll Anfang Jahr nochmals über die Vorlage informiert werden. Ob es zu einer Doppelabstimmung kommt, wird sich demnächst erweisen. Noch liegt die Einzelinitiative zur Prüfung bei der Gemeinde.