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Der FC Erlenbach 2018 – fast eine Familie

Erstellt von Yannick Schenkel |
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Der junge FC Erlenbach 2018 will von der fünften Liga hoch hinaus. Dabei sollen auch Flüchtlinge das Team zu Erfolgen führen.

Der junge FC Erlenbach 2018 will von der fünften Liga hoch hinaus. Dabei sollen auch Flüchtlinge das Team zu Erfolgen führen.

Fussball ist eine Weltsprache: Über den ganzen Globus verteilt bringt die Sportart Menschen zusammen. Dabei spielen Herkunft, Religion oder Geschlecht keine Rolle. Auf dem Platz geht es nur darum, dass Leder ins Tor zu bringen. Der FC Erlenbach 2018 ist das beste Beispiel dafür. In der Mannschaft kicken junge Männer aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt, so aus Guinea, Somalia oder Syrien. Aus den verschiedensten Gründen haben diese den Weg in die Schweiz auf sich genommen, doch eines haben sie gemeinsam: Sie sind ohne ihre Familien in ein fremdes Land gereist, in welchem sie nicht einmal die Sprache verstehen.
Für die jungen Männer bietet der FC Erlenbach 2018 nicht nur Platz in einem Fussballverein, sondern auch in der Gesellschaft. Denn hier kommen sie mit Einheimischen in Kontakt. Das hebt Präsident und Trainer Dominique Boeckli hervor: «Wenn die Flüchtlinge den ganzen Tag im Asylzentrum sind, lernen sie kaum Schweizer kennen.» Deshalb sei es wichtig, dass neben den Migranten auch Einheimische im Verein seien.

Erste Saison mit eigener Lizenz
Noch vor fünf Jahren spielte im Dorf nur die Seniorenmannschaft des FC Erlenbach, die jedoch nicht an der Meisterschaft teilnimmt und ebenfalls von Boeckli präsidiert wird. Er wollte seit längerem etwas für den Nachwuchs tun, weshalb er ein Training für junge Fussballer anbot. Auf dies machte Boeckli das Asylzentrum Zollikon aufmerksam, worauf stets neue Gesichter auftauchten. Der Grundstein für das Konzept des heutigen Vereins war gelegt, es entstand ein Team mit einer Mischung aus Erlenbachern und Flüchtlingen.
Anfangs mass sich die junge Mannschaft in Testspielen mit anderen Teams. «Die Spieler wollten aber mehr als nur Testspiele spielen», sagt Präsident Boeckli. «Deshalb versprach ich, dass ich Geld sammle und wir bei 5000 Franken in die Meisterschaft gehen.» Als genügend Geld für die Lizenz zusammengekommen war, trat das Team als zweite Mannschaft vom damaligen «Küsnacht 2014» an. Die erste Mannschaft löste sich wenig später auf, einige Spieler traten zu Boecklis Team über. In der Folge wurde ein neuer Verein mit dem Namen FC Erlenbach 2018 gegründet. Letztes Jahr noch Freundschaftsspiele absolvierend, startete der Verein diese Saison mit eigener FVRZ-Verbandslizenz in der 5. Liga.

Verein vermittelt Werte
Die Integration findet nicht ausschliesslich auf dem Rasen statt. Als Trainer will Boeckli Schweizer Werte vermitteln. «Anfangs sind viele unentschuldigt zu spät ins Training gekommen und hatten dabei nicht einmal ein schlechtes Gewissen», sagt er schmunzelnd. Mittlerweile kämen aber alle pünktlich. Auch sprachlich sollen die Flüchtlinge sich im Verein entwickeln, der Trainer redet mit den Spielern konsequent Schweizerdeutsch. Neben seiner Tätigkeit als Präsident und Trainer steht Boeckli den einzelnen Spielern persönlich zur Verfügung. So half er schon bei Bewerbungen und stellte Referenzschreiben aus.

Kein reiner Flüchtlingsverein
Wichtig ist für den FC Erlenbach 2018 auch, dass die Flüchtlinge im Verein Verantwortung übernehmen. Wie Jan Mohammad Husseini können sie dies beispielsweise als Schiedsrichter tun. Er absolvierte den Schiedsrichterkurs und pfiff seitdem schon mehrere Spiele von C-Junioren. Davon profitiert auch der FC 2018, der dem Verband einen Unpareiischen stellen muss.
Auch in der Fussballmannschaft haben die Auswärtigen wichtige Positionen. Mit Abdoulaye Diallo wurde ein Guineer zum Capitain ernannt. Wie viele seiner Teamkollegen flüchtete er in jungem Alter alleine in die Schweiz, bei seiner Einreise im Februar 2017 war Diallo erst sechzehn Jahre alt. Er lernte schnell Deutsch und spielt seit zwei Jahren beim FC Erlenbach, der für ihn wie eine Familie ist (siehe unten). Trotz seinen Integrationsbemühungen bekam er vor kurzem einen negativen Asylbescheid, Diallo müsste wieder in seine Heimat Guinea zurückkehren. Gegen diesen Entscheid geht er nun mit einem Anwalt vor. Wie Diallo sind viele seiner Teamkollegen noch in einem laufenden Asylverfahren.
Trotz den Umständen gilt für Trainer Boeckli: «Wir wollen nicht als reiner Flüchtlingsverein abgestempelt werden.» Sonst würde der Rückhalt fehlen, das Dorf könnte sich nicht mit dem Verein identifizieren. Schliesslich würden auch keine Sponsorengelder zusammenkommen. Diese hat der Verein aber nötig, weil viele Flüchtlinge die finanziellen Mittel für den Mitgliederbeitrag nicht aufbringen können. Deshalb wird auf ein Spielergötti-System gesetzt, bei dem die Göttis einen Teil des Beitrages eines Spielers übernehmen können.
Das Konzept scheint zu funktionieren. Der Verein hat schon viele Gönner in Erlenbach gefunden, die das Engagement in Bezug auf die Integrationsarbeit loben.

Zukunft mit Jugend geplant
Noch ist beim FC Erlenbach 2018 alles ein wenig chaotisch. Die Linien des Spielfelds zeichnet der Präsident selber, die Spieler tragen eine Festbank für die Auswechselspieler auf den Platz und die Vorstandsmitglieder haben gleich mehrere Funktionen. So ist Kurt Ebnöther verantwortlich für die Vereinsentwicklung, das Sponsoring, die Kommunikation und die Jugend. Deswegen findet er die Bezeichnung Start-up passend für den Fussballclub.
Momentan hat der FC Erlenbach 2018 nur ein Team, dieses ging im Herbst in seine erste Saison. Für die Zukunft hat der Verein grosse Pläne, man will aufsteigen und eine eigene Jugendabteilung bilden. Von den Jüngsten zu den Ältesten soll diese aufgebaut werden, damit das Fanionteam in ferner Zukunft mit eigenem Nachwuchs versorgt werden kann. Konkret plant der Fussballclub ab 2020 mit G2-Junioren. «Wichtig ist dabei, dass von Anfang an beide Geschlechter gefördert werden», findet Vorstandsmitglied Ebnöther. Genügend Juniorinnen und Junioren hätte es, die Erlenbacher müssen heute aber in den Nachbarsgemeinden Fussball spielen. Viele Eltern wünschten sich, dass ihre Kinder quasi vor der Haustüre auf dem gut gelegenen Schulcampus in einem Verein Fussball spielen könnten.
Für die erste Mannschaft begann die Mission Aufstieg erfolgreich: Aus den ersten fünf Spielen konnte die multikulturelle Truppe des FC Erlenbach 2018 drei Siege verzeichnen, so auch am Sonntag gegen Rüti.