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«Das Virus kennt keine Grenzen»

Erstellt von Manuela Moser |
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Die Erkenntnis, dass Corona die ganze Welt trifft, lässt Esther Triet auch hoffen. Hoffen, dass alle ein bisschen näher zusammenrücken, auch über die Grenzen hingeweg. Denn – so die Leiterin der Küsnachter Bibliothek – auch die Krankheit ist schliesslich nichts Lokales.

Wie geht es Ihnen im zweiten Corona-Lockdown?

Wie die meisten Menschen bin ich etwas coronamüde. Zwar plagen mich glücklicherweise keine existentiellen Ängste und im Gegensatz zum vergangenen Frühling dürfen wir die Bibliothek noch geöffnet halten – einfach das Lesezimmer ist geschlossen. Somit arbeite ich beinahe normal,das ist eine sehr komfortable Lage. Doch die ständig sich ändernden Bestimmungen, die lange Dauer dieser Pandemie und die Ungewissheit, wie es weitergeht und ob es vielleicht noch schlimmer kommt, wirken zermürbend.

Wir wussten, es wird dauern...

Ja, so langsam weiss ich, wie sich ein Marathon anfühlt, obwohl ich noch nie einen gelaufen bin. Immer wieder haben wir seit März im vergangenen Jahr gehört, dass diese Pandemie kein Sprint wird, sondern ein Langstreckenlauf. Doch verstanden haben viele von uns das erst jetzt, im Winter. Die Vorstellung, dass wir noch Monate, vielleicht Jahre mit dem Virus leben müssen, macht mich und einen Grossteil der Gesellschaft müde und antriebslos.

Was ist anders für Sie jetzt als in der ersten Welle?

In der ersten Welle war die ganze Situation neu. Es gab einen harten Lockdown und die Bibliothek musste für zwei Monate schliessen. Von einem Tag auf den anderen stellte die Pandemie alles auf den Kopf und wir mussten kreativ werden. Innert kürzester Zeit stellte ich mit meinem Bibliotheksteam einen Lieferservice auf die Beine – der Tatendrang war gross! Danach kamen relativ schnell Lockerungen und der Sommer stand vor der Tür. Man glaubte, das Virus im Griff zu haben.

Und jetzt sind wir erwacht?

Jetzt in der zweiten Welle folgt Ernüchterung – wir wissen, dass es nicht so schnell vorbeigehen wird. Alles wird langsam mühsam: Das ständige Maskentragen bei der Arbeit, Social Distancing, Medien desinfizieren, immer wieder sich ändernde Bestimmungen, Schutzkonzepte anpassen, Veranstaltungen planen und dann doch nicht durchführen können. Man verliert die Lust, überhaupt etwas zu planen. In der Bevölkerung zeigt sich zudem eine leicht aggressive und ungeduldige Grundstimmung. Dazu kommt natürlich das Wetter, welches nicht dazu einlädt, sich möglichst viel und lange im Freien aufzuhalten.

Welche Methoden haben ihnen schon bei der ersten Welle geholfen, den Mut nicht zu verlieren?

Da ich wie gesagt keine Existenzängste haben muss und glücklicherweise in meinem nächsten Umfeld niemand ernsthaft an Corona erkrankt ist, konnte ich die ganze Krise bis jetzt relativ entspannt angehen. Das Wissen, dass es anderen Menschen sehr viel schlechter geht, macht mich betroffen und lässt mich dankbar sein für meine Situation.

Was sind abrer trotzdem die Lehren?

Ich habe gelernt, dass nicht alles im Leben planbar ist, dass uns Unwägbarkeiten aber auch flexibel und kreativ werden lassen. In vielen Bereichen sind zuvor unvorstellbare Anpassungen innert kürzester Zeit möglich geworden. Als wir während des Lockdowns im Frühling den Menschen unsere Bibliotheksmedien nach Hause geliefert haben, war das eine wunderbare Erfahrung. Wir durften eine grosse Dankbarkeit und viele schöne Begegnungen erleben.

Was sind für Sie die schlimmsten Folgen aus dieser Pandemie?

Ich denke, man kann die schlimmen Folgen der Pandemie beinahe in einem Wort zusammenfassen: Verluste! Seien dies der Verlust eines geliebten Menschen, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eines Unternehmens, welches man mit Herzblut betrieben hat oder der Verlust von Freiheiten, Begegnungen, Umarmungen, Gemeinschaft. Und all diese Verluste können wiederum Folgen haben, welche zu Isolation, psychischer Krankheit, Stress und persönlichem Leid führen

Gibt es gute Aspekte?

Die positiven Folgen zeigten sich insbesondere während des letzten Lockdowns. Es war eine enorme Hilfsbereitschaft und Solidarität zu spüren, Hilfe für die Alten und Wertschätzung für Pflegende. Man wird sich auch wieder bewusst, wie wertvoll menschliche Nähe ist, jetzt wo wir sie meiden müssen. Viele konnten eine Entschleunigung ihres Alltags erfahren und sich wieder auf die Wichtigen Dinge im Leben besinnen. Einen enormen Schub hat die Digitalisierung erlebt. Die digitalen Dienstleistungen und Angebote haben sich vervielfacht, wir schaffen Video-Konferenzen mit links und auch für eine Mitgliedschaft in der Bibliothek kann man sich jetzt online einschreiben.

Die Reisebeschränkungen hatten ebenfalls einen positiven Effekt. Einerseits profitierte die Umwelt, andererseits haben die Schweizer ihr eigenes Land als Ferienland wiederentdeckt und vielen hat das sehr gefallen.

Wie lange wird es noch dauern?

Natürlich habe ich die grosse Hoffnung, dass der Corona-Impfstoff ein Weg aus dieser Krise sein wird. Ich bin aber auch realistisch genug zu wissen, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis wir einigermassen sicher vor dem Virus sein können. Ich werde mich auf jeden Fall impfen lassen.

Wie wird Corona  uns verändern?

Ich erhoffe mir, dass wir einige neue Werte, welche in der ersten Welle entstanden sind, in die Zukunft hinüberretten können. Das Wort Pandemie sagt es schon, diese Krankheit ist nichts Lokales, sondern etwas Weltumspannendes. Wir müssen näher zusammenrücken, zusammenarbeiten, auch über die Grenzen hinweg, denn das Virus kennt keine Grenzen. Wir sind eine Welt! Wenn die Politik, die Menschheit dies erkennen würde, könnte die Gesellschaft nachhaltig verändert werden.