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Blocher zeigt auserwählte Kunstwerke

Erstellt von Karin Steiner |
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Dass Christoph Blochers grosse Leidenschaft der Kunst gilt, war deutlich zu spüren. Letzten Sonntag präsentierte er Bilder aus seiner Sammlung in der Kirche Tal in Herrliberg und erzählte Details aus dem Leben und Wirken der Künstler. Wer nicht frühzeitig kam, fand keinen Platz mehr.

Es gab an diesem Sonntagabend viele enttäuschte Gesichter. Die rund 350 Plätze der Kirche Tal waren schnell besetzt, so dass die zahlreich anwesenden Security-Angestellten die Leute wieder nach Hause schicken mussten. Manche Besucherinnen und Besucher waren schon zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn gekommen, weil sie mit sehr vielen Leuten gerechnet hatten. 

Der Grund für den Grossandrang war, dass alt Bundesrat und SVP-Doyen Christoph Blocher auf Einladung der Kul­turkirche Goldküste im Rahmen der «art+act»-Kunstreihe ein paar ausgewählte Kunstwerke von Giovanni Segantini, Giovanni Giacometti, Albert Anker und Ferdinand Hodler aus seiner Sammlung präsentierte. Wer die Reden des SVP-Politikers kennt, weiss, mit welcher Leidenschaft er über Politik referieren kann. Wenn es um die Kunst geht, ist diese Passion keineswegs geringer. 

Schweizer Künstler des 19. Jh. 

«Ich muss betonen, dass ich kein Kunsthistoriker bin. Ich kann Ihnen nicht mehr als zeigen, was man auf Bildern sieht, die man jahrelang besitzt und betrachtet», begann Christoph Blocher seine Rede, die er betont als solche verstanden haben wollte und nicht etwa als Predigt. «Meine Frau und ich sind Sammler, was wir eigentlich gar nicht werden wollten. Wir haben Bilder, die uns gefielen, gekauft und aufgehängt, und dann kamen Kunsthistoriker und sagten, wir hätten eine bedeutende Sammlung.» Und die Definition einer Sammlung ist einfach: Eine Sammlung hat man dann, wenn man mehr Bilder hat als Wände, um sie aufzuhängen. Bei den Blochers sind dies mittlerweile über 6o0 Stück, die Hälfte davon sind von Albert Anker.

Alles ist vorbestimmt

Die Bilder, die Blocher kauft, stammen von Schweizer Malern aus dem 19. Jahrhundert bis etwa 1930. «Da sieht man, was aus dieser kleinen Schweiz Grossartiges hervorgegangen ist.» Der älteste der vier Künstler, um die es an diesem Abend ging, war Albert Anker (1831–1910). «Ankers Stärke war das Beobachten. Auf einer ganzen Reihe von Ankers Bildern sind einfache Figuren dargestellt, vor allem Kinder. Sie haben keine Namen und das hat seinen Grund: Anker sagte sich, dass alle diese Figuren vertretend für die Menschheit stehen.» Mit grosser Begeisterung referierte Blocher über das «Mädchenbildnis 1886», das nicht nur wunderbar in der Farbe sei mit dem Licht, das dem Kind ins Gesicht falle. Er habe es auch handwerklich auf die Spitze getrieben, indem jedes einzelne Haar zu sehen sei. «Er fand keinen Pinsel, der fein genug war, um die Haare zu zeichnen. So konstruierte er selber einen Pinsel aus den Wimpern von Rehaugen.»

Es sind jedoch nicht nur die Farben und Details, die Christoph Blocher faszinieren. Er interpretiert die Werke auch, etwa Ankers «Schulspaziergang», ein prämiertes Bild, das eine Schulklasse mit der Lehrerin auf einem Ausflug zeigt. «Kein Kind ragt über den Horizont hinaus, sie sind geerdet. Doch die Lehrerin ragt in den Himmel. Es zeigt die Bedeutung ­dieser Lehrerin, sie behütet die Kinder.» Doch die Kernaussage von Ankers Bildern ist, dass alles im Leben vorbestimmt ist.

Mit Postkarten angefangen

Ferdinand Hodler wurde 1853 geboren und starb 1918. «Er hatte eine schwere Jugend und stammte aus einer kinderreichen Familie mit zwölf Kindern. Der Vater starb früh, und so musste der Junge nach der Primarschule bei einem Bekannten, der Ansichtskarten-Maler war, Geld für die Familie verdienen. So wurde er ein grossartiger Landschaftsmaler. «Meistens malte er Berge und Seen», führte Blocher weiter aus. «Hodler ist fast die Nummer 1 der Schweizer Künstler auf der ganzen Welt. Seine Bilder hängen in den berühmtesten Museen.»

Ein tragisches Leben

Giovanni Segantini wurde 1858 in Arco, Tirol, das damals zum Kaisertum Österreich gehörte, geboren. Seine Eltern starben früh. Er war ein schwieriges Kind, das überall herumgereicht und schliesslich ausgebürgert wurde, damit die Gemeinde für ihn nicht aufkommen musste. Als Staatenloser gelangte er ins Engadin, wo oberhalb von St. Moritz heute noch die Segantinihütte besucht werden kann. Hier starb der begabte ­Maler mit nur 41 Jahren an einem Blinddarmentzündung. «Er hatte ein grosses Interesse, den Menschen als Teil der Natur zu zeigen, so wie auch die Tiere Teil der Natur sind. Das Sein und das Vergehen waren zentrale Themen für ihn.» 

Beginn des Impressionismus

Giovanni Giacometti wurde 1868 in Stampa im Bergell geboren. Er war ein Wegbereiter für eine neue Stilrichtung, den Impressionismus. Auch er hat hervorragende Landschaften gemalt. Beeinflusst von Segantini malte er gerne mit der Strichtechnik – die Wiesen und Bäume bestehen aus lauten feinen Strichen. Aus Giacomettis Kindern wurden alles bedeutende Künstler, unter anderem Alberto Giacometti. Alberto wurde durch seine überschlanken Skulpturen berühmt. «Kürzlich wurde eine Giacometti-Skulptur für 145 Millionen Franken an einen Chinesen verkauft», erzählte Blocher. « Als man ihn fragte, ob er so begeistert sei von Giacometti, hat er geantwortet, er wolle ganz einfach die teuerste Skulptur der Welt besitzen.»

Christoph Blocher kauft seine Bilder nicht des Werts wegen, sondern weil sie ihm gefallen. Wenn er ein Bild haben möchte, hat er viel Geduld zu warten. «Der günstigste Moment, ein Bild zu kaufen, ist der, wenn der Besitzer stirbt und ein Erbschaftsstreit ausbricht», witzelte er und sorgte auch mit diesem Spruch für Gelächter.

Am Ende der Rede wurden die Gemälde, die Blocher unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen in die Kirche hatte bringen lassen, endlich enthüllt. Aufgrund des grossen Andrangs durfte das Publikum sie in Etappen besichtigen. Das war nicht weiter schlimm, denn neben der Kirche hatte Blocher einen reichhaltigen Apéro spendiert. 

«Christoph Blocher ist dieser Abend zu verdanken, nachdem er 2018 schon einmal einen solchen Anlass durchgeführt hat», erzählte Pfarrer Alexander Heit. «Er hat viel Zeit, Herzblut und auch Geld investiert. Viele Mitarbeitende von ihm, aber auch von der Kirche sowie vom Sicherheitsdienst und der Polizei, waren in die Vorbereitungen involviert, um diesen Abend zu organisieren.»