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Ein Themenabend wie auf dem Pulverfass

Erstellt von Manuela Moser |
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Am Montag hat der Küsnachter Gemeinderat zum politischen Abend eingeladen. Meist geht es darum, bevorstehende Geschäfte für die anstehende Gemeindeversammlung vorzustellen oder über längerfristige Projekte zu reden. Vier waren hier traktandiert, jedes einzelne führte zu Diskussionen.

«Es ist das erste Mal, dass wir an einem politischen Themenabend abstimmen müssen», meinte Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP). Und so stellte er den Ordnungsantrag, ob die Diskussion um die Oberwachtstrasse und deren umstrittene Verlegung der Bushaltestelle nun für abgeschlossen erklärt werden könne oder nicht. Noch waren nämlich immer wieder Hände nach oben geschnellt für weitere Wortmeldungen, und noch standen ja zwei weitere Traktanden an. Die Mehrheit der rund 200 Anwesenden – das reformierte Kirchgemeindehaus war zum Bersten voll – befand dann doch, dass genug sei. Aber der Reihe nach.

Vier heisse Geschäfte

Traktandiert für den Abend waren vier Geschäfte: Erstens der private Gestaltungsplan «Am Marktplatz» (kommt am 4. Dezember vor die Gemeindeversammlung). Zweitens die Gestaltung der Oberwachtstrasse und des Dorfkerns. Dies ist ein ­Projekt des Tiefbauamts des Kantons, ­beinhaltet die längst überfällige Stras­sensanierung, aber auch die gesetzlich vorgeschriebene barrierefreie, sprich behindertengerechte Bushaltestelle. Der Kanton will die Bushaltestelle Zentrum hiefür vom Coop Richtung nach oben, zum Moreira-Gourmet-Haus an die Oberwachtstrasse 2, verschieben, was der Hauptgrund für die vielen Diskussionen an dem Abend war. Kurze Rückblende: Der Kanton musste das Projekt schon einmal überarbeiten, nachdem der von ihm geplante Kreisel wegen einer Petition des Bürgerforums Küsnacht aus dem Programm gekippt war.

Das dritte Thema des Abends war die Erneuerung des Parkplatzes Zürichstrasse (im Dorfjargon kurz «der Schandfleck von Küsnacht» genannt). Hieran versuchte sich der Gemeinderat schon mit zwei geplatzten Zentrumsüberbauungen, nun soll es eine sanfte Renovation werden, das Projekt liegt zurzeit bei der Verwaltung auf, die Einsprachefrist läuft noch bis 11. Dezember; abgestimmt wird im nächsten Juni an der Gemeindeversammlung. Planmässig könnte dann mit dem Bau im Frühling 2025 begonnen werden. Und last but not least, aber doch am wenigsten lang diskutiert kam noch das vierte Traktandum: der ÖV-Fahrplan.

Frohe Nachrichten beim Busbetrieb

Hier konnte Hochbau- und Planungsvorsteher Gauthier Rüegg (FDP) Gutes verkünden: Nach 33 Stellungnahmen im Februar 2023 zum Fahrplan 2024 bekommt nun die Linie Itschnach–Fallacher doch wieder einen Viertelstundentakt mit Anschluss an die S16. Zu diskutieren gab der Umstand, dass ältere Menschen bald «abgehängt» werden, weil in den Bussen nur noch per Mobiltelefon Fahrkarten gekauft werden können. «Alle ab 80 fahren gratis», war hier ein Vorschlag aus dem Publikum. Oder: «Wenigstens die Knipsi-Automaten für die Mehrfahrtenkarten sollen bleiben», so plädierte Markus Ernst höchstpersönlich für die Nichtdiskriminierung der älteren Bevölkerung. Im März 2024 gibt es dann die nächste Auflage des neuen Fahrplans, dann können auch hier wieder Eingaben gemacht werden.

Das zweite Geschäft von Gauthier ­Rüegg ging weniger schnell über die Bühne. Er wird es an der Gemeindeversammlung vom 4. Dezember nochmals vortragen. Kurz: Der «kleine Modernist» an der Bahnhofstrasse 2a soll ein zweites Leben erhalten, so lautet der Plan der privaten Investorin, der Noldin Immobilien AG, die heute schon eine der drei Parzellen besitzt. Das ehemalige Postgebäude stammt aus dem Jahr 1951, 1984 bezog dann die Papeterie Köhler das Unter­geschoss. Beim Verkauf der eigenen zwei Parzellen schöpft die Gemeinde 350 000 Franken ab, sie kann gleichzeitig die Trafostation der Netzanstalt Küsnacht, umplatziert ins Untergeschoss, belassen.

Baustart des neu vierstöckigen Gebäudes mit Gewerbefläche und Wohnungen soll im Jahr 2026 sein, Ende April 2028 soll es bezugsbereit sein. Die Abweichung zur Regelbauweise – unter anderem auch wegen eines Flachdachs anstelle eines Schrägdachs – erfordert einen privaten Gestaltungsplan. Der anwesende Vertreter der Eigentümer, Benjamin Noldin, kam kurz nach vorne. Er bestätigte, dass es Wohnungen im höheren Preissegment geben würde. Ob die Papeterie Köhler allerdings bleiben kann – was die Anwesenden im Saal interessierte –, sei noch offen. «Wir sind mit Köhler im Austausch.» 

Feuertaufe für Durisch

Tiefbauvorsteher Claudio Durisch (parteilos) hatte am politischen Themenabend seine eigentliche Feuertaufe als Gemeinderat. Es war sein erster öffentlicher Aufritt. Souverän vertrat er die festgefahrene Sanierung auf der Oberwachtstrasse. «Seit zehn Jahren besteht das Dossier, ich bin der fünfte Gemeinderat, der es bearbeitet», plädierte er für etwas Verständnis. Klar war nach dem Abend aber auch: Die Diskussionen insbesondere um die Verschiebung der bisherigen Bushaltestelle Zentrum vor dem Coop hinauf zum Moreira-Gourmet-Haus wird weiter anhalten.

Am Themenabend stand denn Eduardo Leemann, Verwaltungsrat der Moreira, auf und drohte dem anwesenden Kantonsvertreter des Tiefbauamts Zürich, Roman Bucher, dass Moreira bis vors Bundesgericht ziehen werde. Denn: «Die Verlegung wäre für uns existenzbedrohend. Der Bus würde direkt vor der Auslage unseres Gemüses halten.» Als Nächstes wird die Auflage des Projekts durch den Kanton nach §16 erfolgen, was laut Nachfrage im Sommer 2024 zu erwarten ist.