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«Ein Bahnhof ist wie eine Küche»

Erstellt von Daniel J. Schüz |
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Nochmals teurer als geplant, aber dafür schön – und praktisch. Seit Montag können auch Menschen mit Kinderwagen oder im Rollstuhl am Bahnhof Küsnacht vorwärtskommen. Die Rampe ist in Betrieb, die Lifte dann im Januar.

Seit Montag ist die Küsnachter Bahnhofsunterführung wieder von allen Seiten her zugänglich. Damit ist nicht nur den SBB-Passagieren gedient, die bisher einen erheblichen Umweg über die Dorfstrasse in Kauf nehmen mussten. Die neue Passage verbindet nun auch den oberen Dorfkern mit den unteren: Wer von der Buchhandlung zum Schuhgeschäft, von der Migros zur Papeterie oder von der Apotheke zur Post will, muss nur die Gleise unterqueren und ist am Ziel.

Bergseitig, beim Parkplatz an der Zürichstrasse, wirkt das filigrane, mit Lärchenholz verkleidete Dach wie ein rie­siger Baldachin, darunter führen eine Treppe und gegenüber eine Rampe für Rollstuhlfahrer, Kinderwagen- und Veloschieber in die deutlich hellere Bahnhof-Unterwelt. Oben, zwischen Holzdach, Sichtbeton und dem futuristisch anmutenden, rundum verglasten Personenaufzug warten Claudio Durisch und Thomas Vollmar. Die Medienorientierung, die sie kurzfristig einberufen haben, ist für den Projektleiter ein Abschied: Vollmar gibt die Verantwortung für ein Bauwerk ab, das vor etwas mehr als sechs Jahren vom Stimmvolk in Auftrag gegeben, im September 2022 in Angriff genommen und nunmehr – zumindest weitgehend – vollendet worden ist. Für den neu ins Amt gewählten Gemeinderat Durisch ist der Anlass eine Auftakt: Zum ersten Mal tritt der gelernte Architekt als Chef des Tiefbauamtes vor die Medien.

Fakten und Zahlen

Wie immer bei der Präsentation öffentlicher Bauprojekte geht es zunächst um Zahlen – will heissen: ums liebe Geld –, um Fakten – zum Beispiel Fristen und Termine – und natürlich um die entsprechenden Umstände und Hintergründe. Die Zahlen: Der 9,1-Millionen-Kredit, den die Stimmbürger Ende November 2017 bewilligt hatten, mündete in ein Projekt, das zunächst auf 13 Millionen budgetiert worden war und mittlerweile aufgrund der Teuerung und gestiegener Materialkosten mit 15,5, Millionen Franken zu Buche schlägt. Davon werden rund 6,5 Millionen der Gemeinde angelastet, die restlichen 9 Millionen sollen, wie das vorab veröffentlichte Communiqué es formuliert, «über die Lastenvereinbarung zwischen dem Bund und den SBB finanziert» werden.

Und weil bekanntlich auch Zeit Geld ist, spielt das Zeitmanagement eine ähnlich wichtige Rolle wie die Budgetplanung. Doch beide unterliegen Faktoren, die nur schwer abwägbar sind. So hatte man die Unterführung ursprünglich schon Ende Oktober eröffnen wollen. «Erst, wenn man mit den ersten Arbeiten begonnen hat und weiss, was man vorfindet», erklärt Vollmar, «lässt sich abschätzen, ob der zuvor festgelegte Zeitrahmen auch wirklich realistisch ist.»

Der Plan, während der ganzen Bauzeit das Gleis 4 zu sperren, scheiterte am Widerstand der SBB. Die Auswirkungen, die eine solche Massnahme auf den Fahrplan und die Pünktlichkeit der Züge gehabt hätte, wären zwar geringfügig, aber dennoch zu einschneidend gewesen. Mit sogenannten Rühlwänden, die auf beiden Seiten der Gleise die Baugrube absicherten, konnte man einen reibungslosen Ablauf des Bahnbetriebs gewährleisten und zugleich in den Nachtstunden, wenn keine Züge rollten, die Bauarbeiten vorantreiben. «Der Fahrplan», resümiert Vollmar, «hatte höchste Priorität.» Erhebliche Nachtruhestörungen, mehr oder weniger während der gesamten Bauzeit, waren die unvermeidliche Folge. Der Ingenieur und der Gemeinderat wissen es denn auch zu schätzen, dass die Nachbarschaft diese Unannehmlichkeiten geduldig ertragen hat – «und dafür», sagen sie einhellig, «möchten wir uns bedanken».

Es sei, vergleicht Vollmar sein Projekt mit einem privaten Haushalt, wie beim Umbau einer Küche: «Da will die ganze Familie dreimal am Tag gut essen, während rundherum Böden und Schränke herausgerissen und Geräte ersetzt werden.» Mit der Öffnung der Unterführung Zürichstrasse ist erst der Anfang vom Ende eingeleitet: Noch sind rund um den Bahnhof verschiedene kleine Baustellen offen, und einige können – aufgrund der schlechten Witterung in den letzten Wochen – erst im Frühling abgeschlossen werden. Noch im Januar sollen die beiden Lifte ihren Betrieb aufnehmen, danach werden die provisorischen Abschrankungen durch Geländer ersetzt und schliesslich wird der Parkplatz Zürichstrasse seinen endgültigen Belag bekommen.

Aber erst im März, wenn der parteilose Gemeinderat Claudio Durisch bei der seeseitigen Rampe vier frisch gepflanzten Bäume mit der Giesskanne einweiht, ist der neue Bahnhof wirklich fertig.