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Der Mathematiker in der EVP

Erstellt von Tobias Stepinski |
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Lokalpolitik bedeutet für ihn nicht nur Kritik, sondern Mitgestaltung. EVP-Präsident und studierter Mathematiker André Tapernoux sagt, was er vom «E» im Parteinamen hält, was in Küsnacht besser laufen muss und warum es mehr Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in der Politik braucht.

An einem der ersten warmen Frühsommertag sitzt André Tapernoux (53) auf einem Bänkli beim Känzeli oberhalb von Küsnacht. Sein Blick schweift über den Zürichsee. «Das ist einer meiner Lieblingsorte.» Ein Ort zum Nachdenken und einer, der gut zu ihm passt: überlegt und zurückhaltend.

Bevor es um politische Themen und Küsnacht geht, bleibt man an seinem Nachnamen hängen. «Tapernoux» klingt nicht nach Zürichsee. «Meine Vorfahren waren Hugenotten (französische Pro­testanten) und sind im 18. Jahrhundert nach Vevey geflüchtet», erzählt Tapernoux. Sein Urgrossvater kam später nach Zürich. Seither ist die Familie hier zu Hause. «Manchmal erwarten die Leute, dass ich fliessend Französisch spreche», sagt er mit einem Schmunzeln, «aber mein Französisch ist eher eingerostet.»

Ins Amt reingerutscht

Politik war in der Familie Tapernoux stets präsent: Die Mutter engagierte sich in der EVP, der Bruder ist ebenfalls politisch aktiv, der Vater war Mitglied der Schulpflege. Der Weg zur Partei kam für André Tapernoux trotzdem nicht aus einem Plan heraus, sondern eher beiläufig. Über eine kirchliche Jugendorganisation wurde er angesprochen: «‹Wir brauchen noch Leute für die Liste›, hiess es. Ich dachte: Ja, warum nicht.»

Auch als er 2009 nach Küsnacht zog, hatte er nicht vor, sich politisch einzubringen. Doch wie so oft wird man einfach gefragt, und plötzlich macht man mit. Einige Jahre später übernahm er das Präsidium der Ortspartei. Eine Aufgabe, die je nachdem, was gerade läuft, viel oder weniger Zeit beanspruche. «Dabei hat man es zum Glück auch selbst in der Hand, was man anreisst oder eben auch nicht», sagt er. Der Kontakt mit unterschiedlichen Menschen, das Mitgestalten und Vernetzen seien zwar fordernd, aber auch bereichernd. «Man geht auf Leute zu und bekommt dabei sehr viel zurück.»
 


«Das ‹E› steht für einen Wertekompass, keine Ausschliesslichkeit, aber ein Fundament.»


 

Namenswechsel? Lieber nicht

Den Schritt der CVP, sich zu «Mitte» umzubenennen, hat Tapernoux genau verfolgt. «Natürlich kann man sagen, dass die Mitte seither erfolgreicher geworden ist, aber ob das wirklich am Namen liegt, ist schwer zu sagen.» Bei der EVP hingegen kann er sich eine Partei ohne das «E» kaum vorstellen.

«Das ‹E› steht für einen Wertekompass, keine Ausschliesslichkeit, aber ein Fundament», sagt Tapernoux. Gerade in einer kleineren Partei wie der EVP sei dieser Bezug für viele Mitglieder identitätsstiftend. Zwar gebe es auch Stimmen, die das Etikett als abschreckend empfänden, doch für ihn sei es ein innerer Referenzpunkt. Ein Namenswechsel allein bringe keine neuen Wähler, so seine Überzeugung. Offen für eine parteiinterne Diskussion darüber sei er aber jederzeit.

Es braucht mehr Wissenschaftler

Der studierte Mathematiker arbeitet heute als Pensionskassenexperte bei der Keller Experten AG. Zuvor war er unter anderem bei der Zurich Versicherung, bei Mercer und bei der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) tätig. «In meinem Job geht es um langfristige Perspektiven», sagt Tapernoux. Auch in der Politik wolle er mit Weitblick und einer nüchternen Haltung handeln.
Deshalb findet er es wichtig, dass sich Menschen mit mathematischen und naturwissenschaftlichem Hintergrund politisch engagieren. Nicht weil sie automatisch bessere Lösungen hätten, sondern weil sie den ­Diskurs mit einer analytischen Denkweise bereichern könnten. «Viele aus der exakten Wissenschaft sind eher zurückhaltend und scheuen den politischen Austausch, aber auch sie braucht es.»

Gleichzeitig betont er, dass es Lokalpolitiker mit verschiedenen beruflichen Hintergründen brauche. «Am Ende zählt vor allem die Bereitschaft, sich einzubringen.» Die Vielfalt empfindet er als besonders wertvoll: «Da gibt es Menschen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven – Akademiker genauso wie Handwerker, Eltern oder andere Engagierte.»

 


«Wir können nicht für alle günstigen Wohnraum schaffen, aber wir können mehr bauen und gezielter Planen.»


Verantwortung statt Kritik

Dass die EVP im Küsnachter Gemeinderat keinen Sitz hat, sieht Tapernoux nicht als Nachteil. Auch ohne offizielles Mandat lasse sich politisch etwas bewirken, wenn man bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. «Es genügt nicht, nur zu kritisieren, was der Gemeinderat macht. Man muss auch selbst Projekte anstossen.»

Thema Wohnungsmarkt

Ein Beispiel dafür sei die parteiübergreifende Initiative zur Dreifachturnhalle, die er gemeinsam mit den Präsidenten von GLP und Grünen eingereicht hat (Mehr dazu unten). Für ihn zeigt das: Politisches Engagement muss nicht zwingend über Ämter laufen. «Opposition bedeutet für mich nicht einfach Nein zu sagen, sondern konstruktiv mitzugestalten.»

Ein drängendes Thema sieht André Tapernoux im Küsnachter Wohnungsmarkt. «Wenn wir unser heutiges Haus nicht hätten, wüsste ich nicht, ob wir mit unseren Kinder überhaupt in Küsnacht bleiben könnten», sagt der EVP-Präsident. Die hohen Preise machten es selbst für Einheimische zunehmend schwierig, in der Gemeinde zu bleiben. Für ihn ist das mehr als eine persönliche Sorge. Wer fortziehen müsse, verliere die Bindung zur Gemeinde und damit auch die Bereitschaft, sich etwa in Vereinen, der Feuerwehr oder der Lokalpolitik zu engagieren. «Wenn wir wollen, dass Menschen sich weiterhin einbringen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass sie hier wohnen können.»

In Küsnacht gebe es aus seiner Sicht eine Neigung dazu, bei neuen Projekten zuerst die Nachteile zu sehen. «Wir haben noch Raum, wir haben Nähe zur Stadt – warum nutzen wir das nicht?», fragt er. Vom Gemeinderat erhofft er sich Weitblick: «Wir können nicht für alle günstigen Wohnraum schaffen, aber wir können mehr bauen und gezielter planen.»

Bei den persönlichen Zielen gibt sich Tapernoux ganz gelassen: «Derzeit strebe ich kein neues politisches Amt an.» Für den Kantonsrat kandidierte er 2023 – allerdings erfolglos. «Es ist immer eine Erfahrung, einen Wahlkampf zu machen», sagt er heute.

Festgesetzt ist für ihn hingegen ein ­anderes politisches Engagement: Bei den nächsten Gemeindewahlen wird er erneut für die Rechnungsprüfungskommission kandidieren. «Ich weiss, das gilt als trocken, aber mir gefällt die Arbeit in einem kompetenten Team, bei dem die Chemie stimmt.»

«Dann bin ich auch mal weg»

Trotz Engagement in Beruf und Politik bleibt bei Tapernoux auch Raum für Privates. Besonders wichtig sind ihm die jährlichen Ferien, meist verbunden mit Besuchen bei Freunden und Verwandten, sowie Bewegung in Form von Velofahren oder Wandern. Tapernoux: «Das lasse ich mir nicht nehmen. Dann bin ich auch mal weg.»

 


«Dieses Projekt ist eine Chance für ganz Küsnacht»

Die Idee einer neuen Dreifachturnhalle geht auf eine parteiübergreifende Initiative von drei Küsnachter Parteipräsidenten zurück: Philippe Guldin (GLP), Jörg Stüdeli (Grüne) und André Tapernoux (EVP). Nachdem die Initiative 2022 angenommen wurde, prüft die Gemeinde seither mögliche Standorte.

Vor kurzem stellte der Gemeinderat im Rahmen einer öffentlichen Mitwirkungsveranstaltung den Standort Heslibach zur Diskussion und ­erntete Kritik. Viele Anwohnende befürchten mehr Verkehr und eine angespannte Parkplatzsituation. Auch Tapernoux ist als Anwohner direkt betroffen, dennoch plädiert er für eine gesamtheitliche Sicht: «Solche Projekte wecken immer Emotionen – vor allem, wenn man selbst betroffen ist. Aber dass man in der Nähe wohnt, darf nicht das einzige Argument dagegen sein.»

Für ihn gibt es Gründe für beide Standorte: Für Heslibach sprechen die zentrale Lage und die intensivere Nutzung durch Schulen, für den Fallacher der anvisierte Sportcluster und damit verbunden die bessere Situation bezüglich Verkehr (Parkplätze) und Restauration.